Die Beschwerdeaufnahmekabine in einer alten Telefonzelle, die Video-Kritik, das Tonband und die Beschwerde-App im Kindergarten
„Multiplikatoren für Partizipation in Kindertageseinrichtungen“ entwickeln erste Ideen für die „Strukturelle Verankerung und praktische Umsetzung von Beschwerdeverfahren in Kindertageseinrichtungen“. Es geht um „Beschwerdeverfahren nach § 45 SGB VIII – Anforderungen und mögliche Umsetzungen in Kindertageseinrichtungen“.
Ort und Tag des Geschehens: Rendsburg, Schleswig-Holstein, am 22.10.2013. Eingeladen haben Prof. Dr. Raingard Knauer von der Fachhochschule Kiel, Rüdiger Hansen vom Institut für Partizipation und Bildung und Klaus Meeder aus dem Ministerium für Soziales, Gesundheit, Familie und Gleichstellung des Landes Schleswig-Holsteins.
Alles klar!? Nee?!
Zu Erhellung werde ich in diesem Beitrag die ersten Ideen dieses Rendsburger Workshops zur aktuellen Diskussion über Beschwerdeverfahren im Kinder- und Jugendbereich vorstellen.
Kurz zur Vorgeschichte: es geht um „Beschweren erlaubt! 10 Empfehlungen zur Implementierung von Beschwerdeverfahren in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe“. Es geht um „Beschweren erwünscht! Wie Kindertagesstätten Beschwerdeverfahren für Kinder umsetzen können“. Es geht um die „Sicherung der Rechte von Kindern als Qualitätsmerkmal von Kindertageseinrichtungen“.
Seit dem 1. Januar 2012 erhalten Kinder- und Jugendeinrichtungen nur noch eine Betriebserlaubnis, wenn sie nachweisen, dass „zur Sicherung der Rechte von Kindern und Jugendlichen in der Einrichtung geeignete Verfahren der Beteiligung sowie der Möglichkeit der Beschwerde in persönlichen Angelegenheiten Anwendung finden“ (§ 45 (2), 3. Sozialgesetzbuch VIII). Ziel des Gesetzes ist die Eindämmung von Macht-Missbrauch jeglicher Art.
Alles klar!? Los geht es!
Zu sechs Fragen sammelten die schleswig-holsteinischen Experten und Fortbilder für Partizipation in Kindertageseinrichtungen erste Ideen. Diese stelle ich vor. Es sind auf Karten geschriebene Stichworte, die viele Interpretationen zulassen. So kann jedes pädagogische Team sie als Anregung nehmen, um gemeinsam für ihre Einrichtung ein geeignetes Beschwerdeverfahren zu entwickeln. Dies geschieht am besten im Rahmen einer Fortbildung, einer „verfassungsgebenden Versammlung“, in der neben den Beschwerderechten auch sämtliche Beteiligungsrechte der Kinder gemeinsam vom Team erarbeitet und in einer Verfassung verabschiedet werden (siehe Fortbildungen). Falls Einrichtungen eine Kita-Verfassung zum Beispiel schon haben, aber noch kein Beschwerdemanagement, könnten sie an einem Fortbildungstag, in einer Art „konfliktgebenden Versammlung“, ein für ihre Einrichtung geeignetes Beschwerdeverfahren entwerfen und dann zusammen mit den Kindern und Eltern entwickeln und beschließen.
Jetzt wird es klarer!? Oder?
Bitte keine Panik. Auch die Jugendämter wissen wahrscheinlich meist noch nicht, wie sie die Umsetzung des seit 2012 geltenden Rechtes der Kinder auf Beteiligung und Beschwerden in den Einrichtungen prüfen sollen. Welche Kriterien gibt es dafür, welche Qualitätsmaßstäbe sind anzusetzen? Auf der Tagung in Rendsburg waren gleich vier Mitarbeiter des Landesjugendamtes neugierig erschienen. Sie wollten von den Experten wissen, wie gehen wir nun mit der neuen Gesetzeslage um, wie beraten wir die Einrichtungen am besten? Wenn die Teams in den Kitas und Jugendeinrichtungen wirklich anfangen, in den Prozess der Auseinandersetzung mit diesen verbriefen Kinderrechten auf Beteiligung und Beschwerde zu gehen, ist dies eine große fachliche und persönliche Herausforderung. Sie wird Zeit und professionelle Unterstützung benötigen. Den Jugendämtern gegenüber kann man dann diesen begonnenen Prozess aufzeigen und um etwas Geduld und Hilfe bitten. Auf diesem Weg wird das Team die eigene Einrichtung zu einer partizipativen entwickeln im Sinne des Gesetzes und der Kinderrechte. Auf diesem Weg kann der Träger der Einrichtung auch seinen Anspruch gemäß § 8b SGB III wahrnehmen:
Träger von Einrichtungen, in denen sich Kinder oder Jugendliche ganztägig oder für einen Teil des Tages aufhalten oder in denen sie Unterkunft erhalten, und die zuständigen Leistungsträger, haben gegenüber dem überörtlichen Träger der Jugendhilfe Anspruch auf Beratung bei der Entwicklung und Anwendung fachlicher Handlungsleitlinien 1. zur Sicherung des Kindeswohls und zum Schutz vor Gewalt sowie 2. zu Verfahren der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an strukturellen Entscheidungen in der Einrichtung sowie zu Beschwerdeverfahren in persönlichen Angelegenheiten.
Alles klar! Nur Mut! Macht euch auf den Weg!
Das machen andere auch. Zur Zeit lernen wir alle noch.
Hier also die Fragen und Ideen zur eigenen Weiterarbeit:
Worüber dürfen die Kinder sich beschweren?
Über alles
Über alle
Festlegung auf „konfliktgebende Versammlung“
Persönliches (Familie, Soziales, Umfeld, Wohnsituation, …)
Notlagen anderer, Situation in der Stadt, Stadtteil, Verkehrswesen
Konfliktkultur muss benannt und verankert werden
Nicht Petzen, sondern Petzen gleich Klärungsbedarf
… was ist für Eure Einrichtung wichtig?
Wo können die Kinder ihre Beschwerden vorbringen?
Leitung
Erzieher/innen
Eltern/Familie
Hausmeister, Putzmänner, Küchenpersonal
Kinder
Gruppensprecher
Jugendparlament der Kommune
Kinder- und Jugendbeauftragte
Bürgermeister
Träger / Vertreter der Stadt
Sprechstunde / offenes Büro
Offene Tür … Zeit für Kinder haben
Direkte Ansprache/ Gruppenkonferenz
Kinderrat, Kinderparlament / Gremium
Meckerkasten
„Gerichtsverhandlung“
Notanker, Kindernottelefon, Beratungsstellen
Polizei, Zeitung, Jugendamt
Telefonat, Brief
… was ist für Eure Einrichtung wichtig?
Beschwerdeanregung, -initiierung:
Wie wird den Kindern ermöglicht sich zu beschweren?
Puppenspielsituation als Anregung
Signale sehen und nachfragen
Meinungsabfragen
„Meckerstunde“ fester Ort für Unzufriedenheit
Kinderbuchbesprechung
„Rollenspiel“ z.B. 2 Fachkräfte in Kinderrat / Vorbild
„konfliktgebende Versammlung“
„Selbstanzeige“ von Erwachsenen
Bewertungsrunde
Erwachsenen tragen Konflikte untereinander vor den Kindern aus
Mecker-Kasten, Mecker-Wand
Signal für den Start der Sprechstunde
Raum, Atmosphäre
Symbole, Klärung der Möglichkeiten
Ankündigung
Aufgreifen realer Situationen
Zeit, z.B. Sprechtag
Begrifflichkeit: „Erleichterungsverfahren“
„Verbesserungsverfahren“
„Mach-gut-Gespräche“, „Mach-gut-Parlament“
„Gute-Kita-Konferenz“
„Super-Kita“
Streitfinder
… was ist für Eure Einrichtung wichtig?
Beschwerdeaufnahme:
Wie wird den Kindern ermöglicht sich zu beschweren?
Protokoll von BeschwerdeempfängerIn: Tonband
Beschwerdeaufnahmekabine: alte Telefonzelle
Anzeigetafel mit Symbolen, Motz- und Ideenwand
Kindersprechstunde
Rote/grüne Klebepunkte/Sterne …
Zeit zum Gespräch haben (offene Tür)
Schön/Blöd Runde(n) – Bewertungsrunde
Projekt: Digi-Cam – Video-Kritik
Kindersprechstunde
Beschwerde-App
Apparat zur punktuellen Rückmeldung über Räume, über Personal, über Angebote, …
Krippenkinder/?
Gebärdensprache
Symbole für Grenzen/Beschwerden
„Stopp“
Beschwerdebuch über Beobachtung
Mimik, Körpersprache verbalisieren
… was ist für Eure Einrichtung wichtig?
Beschwerdebearbeitung, -abhilfe:
Wie wird den Kindern ermöglicht sich zu beschweren?
Wünsche des Beschwerenden klären
Abwägung wen betrifft es?
„Konfliktgebende Versammlung“
Auftragsklärung ja/nein
Kiga-Gericht
Kinder und Erwachsene
Vollversammlung
Gespräch mit Leitung
Einzelgespräche Kontrahenten mit und ohne Moderation
Streitlöserparlament
Bezugsgruppen
Streitlöser
Gespräch
Bild malen, Brief schreiben
Darstellendes Spiel
Puppenspiel
Lösungsideen symbolisch darstellen
Einigung beschließen
Abschluss finden
Ergebnissicherung
Ergebnis allen Beteiligten mitteilen
Informationsweitergabe
Evaluation
… was ist für Eure Einrichtung wichtig?
Wie wird der Respekt den Kindern gegenüber im Beschwerdeverfahren zum Ausdruck gebracht?
Aussuchen bei wem sie sich beschweren
Kind entscheidet über weiteres Verfahren
Feedback by „hab ich Dich richtig verstanden?“
Ja, du hast Recht!
„Danke!“
Erhellung des emotionalen Hintergrunds
Auftragsklärung ja/nein
Beschwerde by Gummibärchen
Beschwerde by „open door“
Innere Bereitschaft – Haltung
Sich auf Augenhöhe begeben
Jede Beschwerde ernst nehmen
Aktives Zuhören
Allparteilichkeit
Parteilichkeit
… was ist für Eure Einrichtung wichtig?
Siehe auch Franziska Schubert-Suffrian / Michael Regner: „Voll unfair“. Ein Beschwerdeverfahren für Kinder entwickeln. In: kindergarten heute 9/2013.
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Der Umgang mit Kritik fällt uns in der Regel nicht leicht. Daher finde ich es wichtig, dass wir alle Ebenen und somit die gesamte Unternehmenskultur unserer Einrichtungen betrachten. Siehe dazu meinen Beitrag „Chefs kritisieren unbedingt erwünscht“.
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