Leben und Kreislauf – Wildnispädagogik
Das Leben richtet sich nach dem Lauf der Sonne aus. Daher sind die Himmelrichtungen ein wichtiges Hilfsmittel in vielen Kulturen. Osten, Süden, Westen, Norden, dazu kommen die Zwischenrichtungen Südosten, Südwesten, Nordwesten und Nordosten. Auch die Jahreszeiten werden in acht Richtungen oder Felder eingeteilt. Frühling, Frühsommer, Hochsommer, Spätsommer, Herbst, Spätherbst, Winter und Vorfrühling. Alle Richtungen oder Felder stehen für bestimmte Energien.
Wir können die menschlichen Entwicklung hilfsweise in folgende Überschriften einteilen: Geburt, Kindheit, Jugendliche, Junge Erwachsene, Reife Erwachsene, Erfahrene Erwachsene/Ältere, Weise Erwachsene/Älteste/Alte und Tod und Zeugung/Übergang. So entstehen Kreisläufe oder Räder, die wir gedanklich übereinander legen können.
Das Feuer brennt. Das Leben, das Lernen beginnt. In der Wildnispädagogik gibt es ein Rad des Lernens mit den acht Feldern: Inspiration (Neuanfang, Neugier wecken, Vorfreude, klar, vital, frisch, guter Anfang, …), Motivation (in Bewegung bringen, wach, Auftrieb, los geht’s, Tatkraft, …), Aktion/Konzentration/Fokus (tun, umsetzen, ausprobieren, …), Regeneration/Pause/Erholung (un-/zufrieden, Zäsur, Pause, Hunger, Essen, …), Narration/Ernte/Feiern (sammeln, zusammenkommen, ausatmen, ernten, feiern, Gemeinschaft, Erzählen, Geschichten des Tages, …), Reflektion (Rückschau, Rückzug, durch die Kunst des Fragens, …) Integration (verinnerlichen, loslassen, Ruhe, Nichts, Nachtzustand, Träume beginnen, hüten), Vision (Traumzeit, öffnen, schließen, göttlicher Funke, …).
In diesem Sinne werden in der Wildnispädagogik viele Kreisläufe in Rädern dargestellt. Wenn man sie geschichtet oder kreisend als Bälle und Spiralen denkt, entstehen komplexe, produktive Muster, die jeder selbst füllen, fühlen und zu verstehen versucht.
Mich beschäftigt zum Beispiel der Nordwesten, der Herbst, die Phase der reifen Erwachsenen, der Älteren, die Reflektion. Nach den Himmelrichtungen ist es möglich, Lernreisen verstehen zu wollen. Im Nordwesten zum Beispiel steht die Weisheit, Interesse an Vorfahren, Aufgabe anerkennen, Vision akzeptieren, altes Leben aufgeben, …. Auf der Lernreise stehen im NW aber ebenso die Gefahren des Alters, der körperlichen Gebrechen, des „ich kann nicht mehr“, …. Auf meiner Arbeit, in einer Kita, bin ich der Älteste, auch in der Wildnispädagogik-Weiterbildung, der Älteste im Betriebsrat, …, und schon immer der Ältester von sieben Geschwistern. Was bedeutet das für mein Leben? Welche Aufgaben habe ich jetzt zu akzeptieren und erfüllen? Was heißt es abzugeben? Auf was sollte ich mich vorbereiten? …? Somit ist das richtig lebenspraktisch, die Räder also wirklich Hilfsmittel.
Für uns Pädagogen gibt es das Rad des Mentorings. Die natürlichen Kreisläufe bestimmen „natürlich“ die Kunst des Lernens und die Rolle des Mentors. Eine in die Natur eingebettete pädagogische Kunst. Aus professioneller Sicht sehr spannend. Schwierig theoretisch zu erklären. Man muss es am besten selbst und mit anderen (er)leben.
Es hilft dabei das Buch der Natur. Dieses Buch hört niemals auf. Und Wildnispädagogik bedeutet, wir gehen in Verbindung mit der Natur. Kernroutinen verbinden uns mit der Natur: Sitzplatz, Geschichte des Tages, Sinne erweitern, Fragenstellen und Spurenlesen, Tierformen, Herumstreifen, Erstellen einer Landkarte, Bestimmungsbücher erforschen, Naturtagebuch führen, Survival leben, mit den inneren Auge sehen, der Vogelsprache lauschen, Danksagen.
Hier Links zu meinem ersten Beitrag über die Wildnispädagogik-Weiterbildung, zum zweiten, zum dritten und vierten.
Im Januar gibt es das letzte, sechste Modul, die letzten drei Tage und Nächte dieser wunderbaren Weiterbildung. Das muss gefeiert werden. Großen Dank an meine Mentoren Paul Wernicke, Tim Taeger und Wieland Woesler !!!
Dank an deren Mentoren wie Jon Young (Young, Jon / Haas, Ellen / McGown Evan: Grundlagen der Wildnispädagogik. Mit dem Coyote-Guide zu einer tieferen Verbindung zur Natur. Buch 1 – Handbuch für Mentoren, Extertal 2014 und Buch 2 – Handbuch der Aktivitäten, Externtal 2017). In diesen zwei Grundlagenbänden der Wildnispädagogik werden alle Kernroutinen und alle Themen in Kreisläufe eingeordnet, in die entsprechenden Himmelsrichtungen. Das ist für unser naturentferntes Denken erst einmal befremdlich und gar nicht so einfach zu verstehen. Dieses Ordnungssystem verstehe ich besser, wenn ich weiß, wie existenziell Natur, der Sonnenlauf für (indigene) Gesellschaften und Menschen waren und sind.
Hier noch eine Einführung in das „8-Schilde-Model“ in einer Masterarbeit von Svenja Bruns: Wildnispädagogik. Historische und aktuelle Entwicklungen, 2014 auf den Seiten 57-62:
Masterarbeit_Svenja_Bruns_Wildnispaedagogik.
_Historische_und_aktuelle_Entwicklungen
Hier dieser Beitrag als PDF Leben und Kreislauf, Andreas Schönefeld