Verfassungspatriotismus und demokratischer Humanismus. Carolin Emcke erhält Friedenspreis des deutschen Buchhandels

Carolin Emcke, Februar 2015, Foto Andreas Schönefeld

Carolin Emcke, Februar 2015, Foto Andreas Schönefeld

Carolin Emcke erhielt den Friedenspreis des deutschen Buchhandels. Herzlichen Glückwunsch!

Aus ihrer Dankesrede in der Frankfurter Paulskirche: Menschenrechte sind kein Nullsummenspiel. Niemand verliert seine Rechte, wenn sie allen zugesichert werden. Menschenrechte sind voraussetzungslos. Sie können und müssen nicht verdient werden. Es gibt keine Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit jemand als Mensch anerkannt und geschützt wird. Zuneigung oder Ablehnung, Zustimmung oder Abscheu zu individuellen Lebensentwürfen, sozialen Praktiken oder religiösen Überzeugungen dürfen keine Rolle spielen. Das ist doch der Kern einer liberalen, offenen, säkularen Gesellschaft.

Verschiedenheit ist kein hinreichender Grund für Ausgrenzung. Ähnlichkeit keine notwendige Voraussetzung für Grundrechte. Das ist großartig, denn es bedeutet, dass wir uns nicht mögen müssen. Wir müssen einander nicht einmal verstehen in unseren Vorstellungen vom guten Leben. Wir können einander merkwürdig, sonderbar, altmodisch, neumodisch, spießig oder schrill finden.

Eine freie, säkulare, demokratische Gesellschaft ist etwas, das wir lernen müssen. Immer wieder. Im Zuhören aufeinander. Im Nachdenken über einander. Im gemeinsamen Sprechen und Handeln. Im wechselseitigen Respekt vor der Vielfalt der Zugehörigkeiten und individuellen Einzigartigkeiten. Und nicht zuletzt im gegenseitigen Zugestehen von Schwächen und im Verzeihen.

Zu Carolin Emckes Arbeiten siehe auch meinen Beitrag: Offenes Betrachten hilft gegen Festlegung, Zuschreibung, Fremdenhass …

Siehe auch meine Zusammenstellung zu ihrem Buch „Wie wir begehren“ als PDF: C. Emcke. Wie wir begehren

Hier ihre Dankesrede zum Friedenspreis.

Seit 2000 gibt es in der Berliner Schaubühne das Format „Streitraum“. Ganz wunderbar. Ich versuche, Carolin Emcke da nicht zu verpassen. Schauen sie im Internet. Dort finden sie viele, viele Aufzeichnungen davon.

 

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Offenes Betrachten hilft gegen Festlegung, Zuschreibung, Fremdenhass, …

Apr 24 2016 Published by under Allgemein,Respekt

Caroline Emcke, die Journalistin und Autorin, veröffentlicht 2012 ein Buch mit dem Titel „Wie wir begehren“.

Es ist so gut und wertvoll. Die Bundeszentrale für politische Bildung nimmt es nur ein Jahr später in ihre Schriftenreihe auf.

Anhand des berühmten Hasen-Enten-Kopfes eröffnet sie unseren Blick für die vielen Schichtweisen, die wir einnehmen können, wenn wir ein offenes Betrachten einüben.

Der Hasen-Enten-Kopf, aus: www.spring.org.uk

Der Hasen-Enten-Kopf, aus: www.spring.org.uk

Wir haben viele Identitäten. Wir können uns bemühen, auch den anderen vielfältig zu sehen.

Das ist Begegnung, Dialog, Respekt, offene Wahrnehmung.

Eine wichtige Voraussetzung für Partizipation, im Kindergarten, in der Schule, an unserem Arbeitsplatz, …

Eine wichtige Voraussetzung in unserer Arbeit, Begegnung mit Menschen, die auf der Flucht sind und waren.

Da ich Caroline Emckes Buch sehr wertvoll finde, habe ich zu diesem Aspekt einige Textstellen von ihr in einer PDF C. Emcke. Wie wir begehren zusammengestellt.

Hier noch ein Zitat von ihr:

„Identitäten sind nicht einfach frei gewählt, Identitäten sind auch konstruiert, zugewiesen, zugeschrieben, sie kommen mit Beschränkungen daher, mit einer Geschichte der Kriminalisierung, mit Denunziation und Vernachlässigung, sie sind gekoppelt an Ressentiments, an Unwissenheit, an Überzeugungen, und diese werden zitiert und weitergereicht, in Witzen, hinter vorgehaltener Hand, in Verklemmtheit oder Verachtung, sie werden weitergereicht von Generation zu Generation, in Schulbüchern oder Adoptionsgesetzen, in Filmen oder Tischordnungen.“ (Caroline Emcke: Wie wir begehren, Frankfurt a.M. 2012, S.180)

Suketu Metha und Carolin Emcke, Foto: Andreas Schönefeld

Suketu Metha und Carolin Emcke, Foto: Andreas Schönefeld

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Demokratie in Mega-Städten

Suketu Metha und Carolin Emcke, Foto: Andreas Schönefeld

Suketu Metha und Carolin Emcke, Foto: Andreas Schönefeld

 

Einmal im Monat, sonntags, ist die Publizistin Carolin Emcke „Auf der Suche nach der Demokratie – oder: Öffentlichkeit und Misstrauen“. Dazu lädt sie unter dem Titel „streitraum“ in die Berliner „schaubühne“ am Kudamm ein. Auf dem Podium internationale Gäste. Einen Platz im Publikum kann jede/r für 2,50 Euro bekommen (gefördert durch die Bundeszentrale für politische Bildung). Ab 12 Uhr heißt es: Vorhang auf für kurze Einführungen, vielleicht einen Vortrag, dann Gespräche auf dem Podium und mit dem Publikum. Ich liebe diese Sonntage. Hier die bisherigen Vorträge auf Video.

Heute war der Schriftsteller Suketu Metha zu Gast. Sein Thema: Das geheime Leben der Städte. Vielfach preisgekrönt wurde er durch seine Reportagen „Bombay. Maximum City„. Zur Zeit schreibt er an einem Buch über Imigrationsgeschichten nach New York.

Ist Demokratie, Bürgerbeteiligung in den ständig wachsenden Mega-Städten noch möglich? Bombay ist zur Zeit die wohl größte Stadt der Welt mit geschätzten 20-25 Millionen Einwohnern.

Carolin Emcke schreibt im Nachwort zu „Bombay. Maximum City“:

„In dem unaufhaltsamen Hype einer permanet expandierenden Stadt hinkt jeder Versuch, steuernd einzugreifen und zu gestalten, dauernd hinterher. Es ist der Horror einer unkontrollierbaren Entwicklung der sozialen Verelendung, des Zerfließens aller stabilen rechtsstaatlichen, infrastrukturellen oder auch nur städteplanerischen Strukturen. Und Metha schreckt nicht davor zurück, auszubuchstabieren, was das heißt: der Verlust des Gewaltmonopols, ein zerfallendes Gemeinwesen, wachsende Ungleichheit, marodierende Banden und ihre soziale Bindungskraft, allgegenwärtige Korruption in öffentlicher und privater Gestalt.“

 

 

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