Partizipation ins Parlament

Dez 09 2013

Partizipation erreicht Parlament

Bürgermeister, Politiker gehen in die Lehre

neuer Beruf: Beteiligungsmanager/in

die Zeit ist reif: mehr-demokratie-wagen !

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Wie viel lebendiger, offener und demokratischer, und damit attraktiver wären doch unsere Parlamente, wenn dort vielfältige Partizipationsmethoden angewendet würden.

 

Ideenfindung, produktiver als in jeder Fraktionssitzung, Foto: Andreas Schönefeld

Ideenfindung, wäre produktiv für jede Fraktionssitzung, Foto: Andreas Schönefeld

Das wären: professionelle Moderation und Methoden der Analyse, der Ideen- und Entscheidungsfindung. Methoden zum Austausch von Positionen und Argumenten zwecks Findung möglichst guter und gemeinsamer Lösungen.

 

mind-map: wo beteiligen wir schon, wo wollen wir das nicht, wo wollen wir Bürger beteiligen? Foto: Andreas Schönefeld

mind-map: wo beteiligen wir schon, wo wollen wir das nicht, wo wollen wir Bürger beteiligen? Foto: Andreas Schönefeld

Solche professionellen Methoden werden in Beteiligungsprojekten von Kindern- und Jugendlichen angewandt. Auf politischen Workshops. Vielleicht mal auf Klausurtagungen, wenn die entsprechende Partei offen dafür ist.

 

Viele Politiker sind nach solchen Workshops ganz angetan, in Hochstimmung, so gut war das.

 

Aber in den Parlamenten, auf der Ebene der sogenannten repräsentativen Demokratie, in den Ausschüssen kommt dies nicht vor. Dort, wo eigentlich Demokratie gelebt, und dort, wo um die beste Lösung gerungen werden sollte, ist es meist öd. Sternstunden des Parlamentes gibt es so selten.

Debatte, Argumente austauschen, sich überzeugen lassen, andere überzeugen, gute Lösungen finden, Foto: Andreas Schönefeld

Debatte, Argumente austauschen, sich überzeugen lassen, andere überzeugen, gute Lösungen finden, Foto: Andreas Schönefeld

 

Meist weiß jeder schon vor der Sitzung, wie er bei den einzelnen Punkten abstimmen wird. Falls man die vorbereitende Fraktionssitzung verpasst hat und seine Unterlagen nicht studierte, hilft der Blick zum Fraktionsnachbar und man hebt die Hand wie alle anderen seiner Partei.

 

Und wenn die dafür sind, sind wir dagegen. Und der schon wieder. Nicht die auch noch. Na, die stimmen wir nieder. Ja, Recht hat sie ja eigentlich, aber! Eigentlich gute Idee, aber zu extrem. Tuschel, tuschel, da beantragen wir doch schnell das.

 

So in etwa sind die sich wiederholenden Spielchen. Früher hieß es noch die Sozen gegen die Schwarzen und umgekehrt. Zum Glück haben wir in Deutschland nicht wie in den USA nur zwei dominierende Parteien sondern auch kleinere. Da müssen dann oft Verbindungen gesucht werden. Auch herrscht nicht immer und in jeder Partei Fraktionszwang. Aber das ganze Spiel ist doch eher dürftig und langweilig. Echte Debatten finden nicht statt. Gute, noch bessere, gemeinsam erstrittene und erarbeitete Lösungen haben hier meist keinen Platz. Doch in partizipativen Verfahren entwickeln sich zuvor nicht gedachte Konzepte, die möglichst viele befrieden.

 

Daher möge die Partizipationsbewegung die Parlamente erreichen.

 

Bürgermeister, Verwaltungsangestellte, Kommunalpolitiker mögen sich als „Multiplikatoren für Partizipation in der Politik“ ausbilden lassen.

 

Nicht jeder Punkt auf den Tagesordnungen braucht partizipative Methoden. Aber wenn es um größere Fragen der Entwicklung, neue Anforderungen, Perspektiven geht, würde ein Parlament souverän und stark sein, wenn es sich solcher demokratischer Verfahren bedienen würde. Auch bei kleinen Angelegenheiten wäre ein Methodenwechsel durch die Multiplikatoren für Partizipation in der Politik oft hilfreich im Sinne einer offenen Debatte und guten Lösung im Konsens.

 

Was wäre, wenn Bürgermeister, Verwaltungsleute und Politiker für ein Jahr in die Lehre gingen?

 

Fünf Mal würden sie sich für je drei Tage treffen und Grundlagen erarbeiten zu Partizipation und Beteiligungsrechten. Sie würden Moderationstechniken lernen, Verfahren der Präsentation und Dokumentation, Methoden der verfassungsgebenden Versammlung und der Planung von Beteiligungsprojekten sowie Konsensmethode und Dialogwerkstatt. Dann würden sie selbst innerhalb dieses Jahres ein Praxisprojekt durchführen. Alleine oder besser zu zweit würden sie in einer Kommune mit den dortigen Handelnden eine Verfassung und Gremien entwerfen für die dortige zukünftige Beteiligung von Kinder- und Jugendlichen oder Bürgern allgemein. Alternativ könnten sie mit den Menschen vor Ort ein Beteiligungsprojekt planen. Sie würden ihre Arbeit dokumentieren und präsentieren und wären dann die ersten „Multiplikatoren für Partizipation in der Politik“.

 

Die Zeit dafür ist jetzt reif. Was gibt es? Was fehlt? Was würden wir gewinnen?

 

Angefangen hat es in den letzten zehn Jahren mit Ausbildungen im Kinder- und Jugendbereich. Moderatoren für Kinder- und Jugendbeteiligung wurden ausgebildet.

 

2. Dann folgten Ausbildungen im Bereich Kindertagesstätten. Multiplikatoren für Partizipation in Kindertagesstätten werden geschult.

 

3. Für den Heimbereich begann in Schleswig-Holstein eine erste Ausbildung zu Multiplikatoren für Partizipation in stationären Einrichtungen der Jugendhilfe.

 

4. Der Schulbereich, die Arbeit in den (Offenen) Ganztagsschulen ist noch nicht richtig erschlossen. Schule gilt als sehr schwieriges demokratisches Feld unter den bisherigen Moderatoren oder Multiplikatoren. Eine Ausbildung des Kinderhilfswerkes wendet sich zwar auch an Lehrer und auch die AWO öffnet diesen Bereich mit einer bundesweiten Ausbildung für Erzieher und Lehrer aus Kindertagesstätten und Grundschule, aber eine eigens auf Schule ausgerichtete Ausbildung zum „Multiplikator für Partizipation in der Schule/OGS“ gibt es noch nicht.

 

5. Ausbildungen für „Multiplikatoren für Partizipation in der Politik“ für Bürgermeister, Verwaltungsangestellte und Kommunalpolitiker müssen auch erst noch konzipiert und angeboten werden.

 

Das anfangs beschriebene Ausbildungskonzept lehnt sich an das Konzept der Kinderstube der Demokratie, das den Ausbildungen im Kita und Heimbereich zugrunde liegt, an. 

 

Neben den „Multiplikatoren für Partizipation in der Politik“ sollten wir einen neuen Beruf erfinden: „Beteiligungsmanager/in“.

Beteiligungsmanager/in gesucht, Foto: Andreas Schönefeld

Beteiligungsmanager/in gesucht, Foto: Andreas Schönefeld

 

Von der Krise der politischen Parteien wird gesprochen. Siehe zum Beispiel die Kommunalwahl am 26. Mai letzten Jahres in Schleswig-Holstein. Nur in den Städten fanden die Parteien noch genügend Kandidaten. Auf dem Land, in den kleinen Gemeinden (Schleswig-Holstein hat 1.116 Gemeinden, Kommunen, kreisfreie Städte) wurden meist seit Jahrzehnten schon die Parteien durch Wählergemeinschaften ersetzt. In Niebüll (fast 10.000 Einwohner mit Stadtrecht) hatten im Vorfeld bis auf die CDU die anderen Parteien noch nicht genug Kandidaten. Die FDP und die Grünen fanden nicht mehr genug Mitstreiter und traten zur Wahl nicht mehr an. Auch Die Linke und die Piraten sind bisher nicht existent in der kleinen Stadt.

 

Den Parteien bricht die Basis weg.

 

Warum engagieren sich kaum noch Bürger in den kommunalen Parteien? Keine Zeit, heute ist man beruflich sehr eingebunden. Die derzeitig betriebene Politikform in den Lokalparlamenten ist eher öde und Hinterzimmerpolitik, wenig offen und kreativ, richtig gute Leute fehlen meist, und, und, und, man will sich nicht binden. Angst vor Parteienhierarchie und dem schlechten Ansehen von Politikern.

 

Und doch ist der Bürger nicht unpolitisch geworden, einzelne Fragen bewegen, bei Projekten der eigenen Stadt will man mitreden. Bürgerbewegungen sind sehr stark. Wir haben es in Norddeutschland erlebt mit dem immensen, erfolgreichen Protest „Kein CO2-Endlager“ und siehe auch „Stuttgart 21“. Bürger wollen bei einzelnen Themen (Kindergarten, Schule, Bauprojekte) mitsprechen. Kindern- und Jugendlichen wird dieses Recht durch den §47f in der Gemeindeordnung Schleswig-Holsteins ausdrücklich gewährt.

 

Ein/e Beteiligungsmanager/in wäre mit einer Vollzeitstelle festangestellt, mindestens eine/r pro Amt oder größeren Stadt für Bürgerbeteiligungen aller Art. Partizipation wäre eine vorgeschriebene Querschnittsaufgabe in jedem Amt oder jeder größeren Stadt. Bewerber brächten am besten ein Studium und hohe Sozialkompetenz mit. Auch Verwaltungsfachhochschulen würden dazu ausbilden.

 

Ein „Beteiligungsmanager“ wäre der Mittler und Mediator zwischen Verwaltung, Politik und Bürgern. Ein Mittler zwischen dem System der repräsentativen Demokratie und dem offenen, flexiblen Bürgerengagement. Ein solcher Mittler würde auch ePartizipation durch die digitalen neuen Möglichkeiten, durch das Internet fördern, ausprobieren, weiterentwickeln. Er würde die neuen Mittel und Wege der digitalen Demokratie unterstützen und damit Demokratie stärken. Moderne Demokratieformen der Bürgerbeteiligung könnten so getestet, etabliert und fest verankert werden.

 

Ein höchst spannender, moderner Beruf im Dienste des Gemeinwesens entsteht.

 

Wie die „Multiplikatoren für Partizipation in der Politik“ würden die „Beteiligungsmanager“ in ihrer Ausbildung folgendes lernen: Moderationstechniken, Verfahren der Präsentation und Dokumentation, Methoden der verfassungsgebenden Versammlung und der Planung von Beteiligungsprojekten sowie Konsensmethode und Dialogwerkstatt. Darüber hinaus würden sie selbst in der Ausbildung vier Praxisprojekte durchführen. In zwei Kommunen mit den dortigen Handelnden eine Verfassung und Gremien entwerfen für die dortige zukünftige Beteiligung von Kinder- und Jugendlichen oder Bürgern allgemein und sie würden in Kommunen mindestens zwei Beteiligungsprojekte planen und mit den Menschen vor Ort durchführen, dokumentieren und auswerten.

 

Pressemeldung: Städte und Ämter ab 30.000 Einwohner erhalten in Schleswig-Holstein das Recht und die Pflicht einen „Beteiligungsmanager“ in Vollzeit einzustellen.

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Beteiligung wird Querschnittsaufgabe in den Kommunen. Ministerpräsident, Torsten Albig: „Diese politische Neuerung ist ein weiterer wichtiger Schritt der Demokratiekampagne des Landes Schleswig-Holstein“. Achtung! Diese Pressemeldung ist bisher allerdings nur eine Vision.

 

Dies gehört auch zur Vision: Auf einmal gibt es mehr Transparenz und mehr Möglichkeiten, sich zum Beispiel an Fragen zu Kindergarten und Schule oder zu Bauvorhaben in der eigenen Gemeinde zu beteiligen. Kinder und Jugendliche werden gefragt, Frauen und Männer, Alleinerziehende, Senioren, Migranten, Finanzschwache, Gehandicapte. Das Motto gilt: Wir versuchen keinen auszugrenzen, Teilhabe, Beteiligung und Einmischung in die eigenen Angelegenheiten ist ausdrücklich erwünscht. Neue Formen der Partizipation werden professionell durch die neuen Manager vor Ort begleitet.

 

Neue Horizonte für Schleswig-Holstein“ so ist der Koalitionsvertrag der Landesregierung, 2012 bis 2017, von SPD, Grünen und SSW untertitelt.

 

Wahlrecht ab 16 Jahren,

Rechte von Kindern und Jugendlichen stark machen,

mehr Bürgerbeteiligung,

Dialog mit den Bürgern,

mehr Transparenz Demokratieoffensive in Schulen und Kitas,

Änderung der Gemeindeordnung für weitere Bürgerrechte,

Pflicht der Kommunen zur Umsetzung des §47f “Kinder- und Jugendbeteiligung”.

 

Dies sind Stichworte des Vertrages. [Alles also doch keine verrückten Vision. Die Zeit scheint reif zu sein für mehr Demokratie.]

Längere Passagen aus dem Koalitionsvertrag unter Demokratie ganz groß machen in SH.

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Die Zeit ist reif für mehr-demokratie-wagen, Foto: Andreas Schönefeld

Die Zeit ist reif für mehr-demokratie-wagen, Foto: Andreas Schönefeld

 

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